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Geburtsbericht von Ilona

Wie du zu uns kamst
Liebe Johanna,
ich habe mich in der gesamten Schwangerschaft sehr auf dich gefreut. Ich war neugierig, wie
es wird. Wie ich mich bei der Geburt schlage. Eine Geburt, war für mich in meiner Vorstellung
eine sportliche Herausforderung. Ich wollte sehen, wie ich mich anstelle und ich wurde
auch viel danach gefragt. Ob ich nicht Angst vor den Schmerzen habe. Besonders, wo ich
doch so viele Frauen bei ihrer Geburt begleitet hatte. Sei es nicht abschreckend… wunderten
sich viele Frauen. Mir war klar, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie es wird und da noch
keine Frau nach der Geburt gesagt hat „ach, das war nicht so schlimm wie ich dachte“, war
ich mir sicher, dass es „intensiv“ wird und freute mich drauf. Angst hatte ich keine.
Von Anfang an wollte ich es versuchen, dich zuhause auf die Welt zu bringen. Bei einem
gesunden Baby und einer gesunden Mutter, gab es keinen Grund in eine Klinik zu fahren. Ich
hatte keine Sorge, dass was passieren könnte, da wir ganz in der Nähe ganz viele Kliniken
haben. Tatsächlich war einer der Hauptgründe, außer dass ich mich zuhause sehr wohl fühlte,
dass ich zu faul war, mit Wehen in einen Wagen zu steigen und mich in eine Klinik bringen zu
lassen. Gleich zuhause zu bleiben, schien mir viel gemütlicher und einfacher. Dann würden
eben die Hebammen zu uns kommen und nicht wir zu ihnen.
Mein Frauenarzt war, da es meine erste Schwangerschaft mit dir war, ein wenig ängstlich. Ich
verriet nicht, dass wir eine Hausgeburt planten und so hatte ich Ruhe. Es war alles wunderbar.
Das erste Mal, wo ich dein Herzchen so schnell und stark hab schlagen sehen, kamen mir die
Tränen. Diesen Moment vergesse ich nie. Auch der allererste Besuch bei meiner Frauenärztin,
wo ich dich sah, gut schon 2 Monate alt, war so schön. Ich freute mich so sehr.
Ich fand eine Hebammenpraxis, die sich Apfelbäumchen nannten. Eine sehr angenehme
Praxis mit lieben Hebammen. Ich sah meistens 2 von ihnen und meine Lieblingshebamme
kam am Ende auch zur Geburt. Sie kam zusammen mit Anne, eine Hebamme die die
Hebammenpraxis geborgen geboren gegründet hat. Da wollte ich zuerst hin, weil ich Anne
und die anderen zwei Gründerinnen noch aus meiner Ausbildung und Praktikumszeit kannte.
Sie hatten leider keinen Platz mehr für uns im September, aber wir waren ja trotzdem sehr gut
betreut.
Die Schwangerschaft mit dir war super. Es gab keine Probleme. Ich hatte nur etwas
Schmerzen am Rücken und lief die letzten Wochen was langsam. Von der Seite deines Opas
Peter haben wir sehr lockeres Bindegewebe geerbt und bei mir klemmte sich am Kreuzbein
ein Nerv ein…
Das sollte kein Problem für die Geburt sein und mir ging es nur auf die Nerven, dass die Leute
von mir erwarteten schneller zu gehen. Mich störte es nicht, dass mir was weh tat. Im
Gegenteil, es war wie eine schöne Aufgabe für mich und erinnerte mich daran, dass der Körper
auf alles reagiert. Du konntest gar nichts dafür. Mein Bindegewebe ist sehr weich und in der
Schwangerschaft ist meine Hüfte schön auseinander gegangen. Meine letzten Wirbel in der
Lendenwirbelsäule sind seit meiner Geburt steif und ich nehme an, das half nicht unbedingt.
Ich habe mich immer gut bewegt und war mir sicher, dass das auch wieder besser wird.
Ab und zu hatte ich in der letzten Woche vor deiner Geburt hier und da eine kleine Welle. Das
war superspannend für mich. Nicht anstrengend oder beängstigend, eher anspornend, dass
es nicht lange dauern würde, bis es los geht. Ich freute mich richtig darüber. „Ah, da ist ja was,
da bist du ja…. Ah, ich atme bewusst, mach meinen Bauch groß… Oh meine Kleine, du machst
das prima…“ Das waren meine Gedanken dabei.
Am 25.09.2015 nachts gegen 3 Uhr wachte ich von einer Welle auf. Erst war ich mir nicht
sicher, ob ich wach bin, oder ob ich schlief. Dann bemerkte ich, dass ich immer wieder wach
wurde. Die Wellen zogen leicht in meinen Rücken und vor allem fühlte es sich wie eine Glut in
meiner Mitte an. Ein Schmerz, ein Gefühl, was ich nicht beschreiben kann. Es fühlt sich nicht
falsch an, es fühlt sich richtig an und wird mit jedem Mal etwas stärker. Dein Vater schlief
neben mir. Ich weckte ihn nicht und atmete bei jeder Welle ruhig vor mich hin. Als die Welle
nachließ, schlief ich ein. Bis ca. 6 Uhr, da waren sie etwas stärker und häufiger, so dass ich
dazwischen nicht mehr einschlafen konnte. Dazu musste ich bei jeder Spitze der Wellen meine
Hüfte kreisen. Schön langsam und dehnend in alle Ecken. Ah, das tat richtig gut. Ich fing auch
an zu tönen. Es war ein Muuuuhhhh-Tohn, der tat mir besonders gut. Mit einer tiefen Stimme…
Dein Vater wachte auf und machte sich auf zur Arbeit. Ich sagte ihm, dass er sich bereithalten
solle, denn vielleicht würde es nicht zurück gehen und stärker werden und wir unsere Tochter
bekommen.
Gegen 9 Uhr morgens hatte ich ein wenig gefrühstückt, gut getrunken, war oft auf Toilette und
die Wellen waren alle 5 Minuten, schön kräftig, so dass ich bei der Welle innehielt, mich stützte,
auch in die Knie ging und mich z.B. an einem Stuhl lehnte und festhielt, dabei die Hüfte
langsam kreiste und Muuuuuhte. Das tat gut, war nicht anstrengend, fühlte sich gut an und du
bewegtest dich nach den Wellen schön. Ich schaukelte dich und mich durch den Tag. Tat dass
was ich wollte. Ein wenig aufräumen, Fern sehen, spülen, meine Eltern drüben besuchen.
Meinem Vater musste ich erklären, dass es nichts Schlimmes war. Er schaute erschrocken
aus, weil ich recht laut bei den Wellen muuuuhhte. ^^° Ich hatte mich in den letzten Stunden
ein Paar mal untersucht, um zu sehen, was sich in meinem Körper tut. Mein Muttermund war
leicht eröffnet, auf ca. 3 cm, das machte mich froh, denn es hieß für mich, dass du dich definitiv
auf den Weg machst. Gegen 11 Uhr rief ich deinen Vater an, dass er doch bald nach Hause
kommen könne, denn es wurde stärker und die Wellen kamen immer häufiger alle 3-5 min. Ich
zählte es nicht, doch ab und zu schaute ich auf die Uhr, damit ich bescheid geben konnte.
Meine Mutter war in der Nähe und wenn ich sie brauchen würde, war sie da. Das gab mir eine
enorme Sicherheit. Meine Mutter war mein ganzes Leben wie ein Fels für mich da. Sie schaute
mich an und ich sah eine wohlige Freude in ihrem Gesicht. Keine Angst, nur ein „oh, du bist
stark“. Sie hatte absolut keinen Zweifel daran, dass alles so war wie es sein sollte. Mein Vater
dagegen wirkte ängstlich, aber er sagte selbst, dass er als Mann davor Angst haben muss.
Das störte mich nicht. Ich freute mich ihm sagen zu können, dass alles sehr gut war und dass
es mir super ging.
Um 12 Uhr wurde es mir dann langsam immer unangenehmer. Die Wellen waren so kräftig,
dass ich starken Halt benötigte. Ich hatte mit meiner Atmung und dem Muuuuhen gut üben
können. Dein Vater war da und kümmerte sich um Wasser für mich. Meine Mutter saß im
Raum, oder in meiner Nähe und strahlte ihre Ruhe zu mir rüber. Nicht zu nah, aber so nah,
dass ich sie dort noch fühlte. Bis dahin hatte ich meine Hebamme immer wieder geschrieben,
wie es läuft und nun rief ich sie an. Ich hatte ca. 5 cm bei meinem letzten Nachschauen an
meinem Muttermund bemerkt. Sie machte sich auf den Weg und als sie 30 Minuten später bei
uns ankam, war ich sehr erleichtert, denn der Druck auf Alles nach unten war richtig stark und
ich freute mich, sie an meiner Seite zu haben.
Sie untersuchte mich… es waren mittlerweile ca. 8 cm. Oh, da war ich erleichtert, ich fühlte
mich stark. „Chacka!“ sagte ich mir innerlich. „Das schaffe ich. Ich bin bärenstark“. Ja, deine
Mutter ist was ihre Kraft angeht, nicht schüchtern. Schon als Kind wollte ich stark sein und
sportlich. Schon meine Entstehung war so. Ich war eine Invitro Kind, eins von 5 in der Mitte
und so stark, dass ich alle anderen weck geschubst habe. Das tat ich auch während deiner
Geburt. Es kamen Besucher zu meiner Oma, während ich wehend in unserem Treppenhaus
auf und ab ging. Ich hatte keinen Plan mehr, ich tat das war meinem Körper guttat und reagierte
auch so. Der Besuch lachte…. „oh, eine Geburt“ Als wäre das ein Event. Ich erinnere mich
nicht gut, nur dass ich ihnen meinen Rücken zudrehte und weiter Muuuuuhte und meine
Wellen annahm. Meine Mutter war außer sich, erzählte sie mir später. Der Besuch ging zu den
Räumen meiner Oma und wir machten mit unserer Geburt weiter. Mich konnte nichts
rausbringen. Ich war mit dir im Flow, Zuhause, in meinem Reich und vor allem hatte ich meinen
Körper, der wunderbar funktionierte. Mir wurde warm, ich zog mich ganz aus. Ich brauchte
keine Kleidung mehr. Die Hebamme hatte ihre Kollegin, die ich auch schon kannte, sogar noch
aus meiner Ausbildung, dazu gerufen. Das war ein tolles Zeichen. Zwischendurch ist die
Fruchtblase geplatzt. Da wurde der Druck deutlich stärker und ich war froh, dass du dir damit
zeit gelassen hattest. Ich hatte schon mit meinen Fingern deinen Kopf unter der Fruchtblase
gespürt. Jetzt spürte ich ihn ganz hart, wie er sich weiter runter wagte. Du bist so ein tapferes
Mädchen. Dein Vater hielt mich im Stehen fest, ich konnte meine Finger in seinen Arm graben,
er sagte nichts, das war gut. Meine Mutter war da und reichte mir ihre Hand. Ach meine Mama,
sie gab mir Halt, als Frau. Sie wusste was es bedeutet, das spürte ich. Die Hebammen hörten
sanft an meinem Bauch nach deinen Herztönen und sie waren stark wie ein Pferd.
Trampperditrammper… galoppiertest du dich durch deinen Weg. Ich war stolz auf dich und
mich. Meine Hebamme, die Katy, die mich leitete war jung, ich war ihre erste Kollegin, die sie
leitete. Sie gab mir mit ihrer sanften Stimme Halt, erinnerte mich zu atmen, ließ mich nach der
Welle Ruhen und ihre zweite Hebamme, die liebe Anna, fühlte sich für mich wie eine weitere
Mutter an. Sie war noch nicht Mutter, hatte aber für mich schon früher eine mütterliche Rolle
eingenommen, trotz ähnlichen Alters.
Wir rollten auf die Geburt zu. Als ich noch nicht vollständig war wurde es sehr turbulent bei
mir. Ich spürte diesen starken Druck, so strak… Irgendwann dachte ich, dass ich jetzt sterben
würde. Ich dachte weder an dich, noch an sonst wen. Nur an mich, dass ich nicht sterben
wollte. Ich schrie auf Griechisch nach meiner Mutter. „Mama, biothia!“ Mama, Hilfe! Hieß es
und meine Mutter war da. Sie sagte mir: „ich bin da“. Sie hielt meine Hand in ihrer und ich hielt
ihre ganz fest und zog mich aus dem Schwarz, in dem ich reingerutscht war, raus. Dann sah
ich meine Hebammen, meinen Bauch, dich und schöpfte neue Kraft. Nein, ich war nicht
gestorben und das musste jetzt alles fertig werden. Ich wollte dich endlich sehen und endlich
in meinen Armen halten.
Jetzt ging es richtig los. Ich durfte mit schieben und ah, das war gut. Im 4-Füßler schob ich
erst leichter und dann immer stärker mit starker Stimme und Körper bei den Wellen mit. Meine
Hebammen zeigten mir, wie ich mich hinsetzten konnte und da versuchte ich es ebenfalls. Erst
fand ich die hockende, sitzende Position nicht gut, es tat mehr weh, aber dann fand ich Halt
und Zugang zum Boden. Meine Füße wurzelten sich fest, neben unserem Bett und ich schob
dich immer weiter runter. Du warst so tapfer. Ich schwitzte und nach einer kleinen Weile spürte
ich deinen Kopf, tastete nach ihm, als meine Hebammen sagten, du seist zu sehen. Oh, dieses
Gefühl, als meine Finger deine Kopffalten spürten, vergesse ich nie. Da warst du, so nah….
Nicht mehr viel, du warst bald da. In den Wellenpausen wurde ich richtig euphorisch. Während
der Wellen muss ich wohl geflucht haben, auf Englisch… ich erinnere mich nicht mehr ganz
so klar, nur daran, dass es sehr intensiv und gut war. Dann trat dein Kopf durch und es tat
weh, aber in der nächsten Sekunde als du geboren wurdest, fühlte ich eine Erleichterung von
innen. Du warst warm und weich, als du nach draußen schwommst und da lagst du. Rund und
schön vor mir. Ich sah dich und war direkt verliebt. „Schaut sie auch an, ist sie nicht
wunderschön?!“ sagte ich allen um mich herum auf Griechisch und Deutsch. Liebe auf den
ersten Blick für mein ganzes Leben, meine liebe kleine Tochter! Meine Johanna!
Ich wollte dich zu mir hochnehmen, da bemerkte ich, dass mein rechter Arm lahm war. Das
fand ich nicht schlimm. Ich bekam von meinen Hebammen etwas Hilfe, um dich zu mir zu
nehmen und in die Arme zu schließen. Wir wurden mit warmen Tüchern zugedeckt. Seitdem
halte ich dich fest. In meinen Armen, in meinen Gedanken, in meinem Leben. Meine Große
Maus.
Die Plazenta kam mit einem Hüsterchen von mir hinterher. Ich hatte keine Verletzung und laut
meinen Hebammen war es eine „Sahne Geburt“. Meine Mutter war so stolz und ich erst. Ich
legte dich nach den ersten Minuten des Anschmachtens an die Brust zum Trinken. Du hattest
eine weiche, warme Zunge und schlucktest tapfer. Hier ging unser gemeinsames Abenteuer
auf der trockenen Erde los.
Mein Arm heilte nach ein paar Wochen. Wir wussten erst nicht, ob es schlimm war. Als ich
nach Stunden meinen rechten Arm immer noch nicht richtig heben konnten, bekam ich einen
Termin beim Orthopäden und Neurologen. Ich war bei unserer Geburt mit meiner rechten Hand
umgeknickt und hatte mir einen Nerv des Handgelenks eingeklemmt. Mit Physio- und
Elektrotherapie war mein Flügel so gut wie neu innerhalb einiger Wochen. Du hast mich zu
jedem Termin begleitet.